Wer beim Anblick des düsteren Covers von „TALES FROM THE DEPTH“ nicht sofort an „CAUSE OF DEATH“ denken muss, an dem sind OBITUARY vermutlich bislang komplett vorbei gegangen, sofern dies irgendwie möglich sein sollte. Die stimmungsvolle Zeichnung stellt eine sehr gelungene Huldigung an diesen absoluten Klassiker des US-amerikanischen Death Metals dar, obwohl NUCLEAR STORM auf ihrem dritten Langspieler musikalisch auf völlig anderen Pfaden wandeln, als die aus dem sonnigen Florida stammenden Kollegen. Nein, es wird auch kein räudiger Thrash Metal im Stile von NUCLEAR ASSAULT, MUNICIPAL WASTE oder ähnlichen Kapellen dargeboten, wenngleich das Logo auch hier gewisse Parallelen ziehen lässt.
Stattdessen lassen sich die neun Tracks des im kommenden Monat erscheinenden Albums vermutlich am ehesten als facettenreiche Mischung aus melodischem Death Metal und traditionellen Heavy Metal umschreiben, wobei sich die mit enormer Spielfreude und viel Herzblut erschaffene Vielschichtigkeit, als die große Stärke des Werkes offen-bart. Zunächst sei jedoch erwähnt, dass NUCLEAR STORM zumindest in der ersten Hälfte des Albums ein lyrisches Konzept verfolgen, zu dem sich einige brauchbare Hinweise im Artwork finden, denn wer hier genau hinschaut, findet zwischen blanken Schädelknochen nicht nur eine Harpune und ein vermoderndes Schiffswrack, sondern wird zudem von einem bösartigen Auge angestarrt. Richtig, es dreht sich in den ersten fünf Songs alles um Kapitän Ahab und seine wahnsinnige Jagd auf Moby Dick. Dabei wird der Inhalt des legendären Romans von Hermann Melville leider nur angekratzt und sicherlich wäre es ohne weiteres möglich gewesen, die Charaktere und deren unvermeidliches Schicksal auf ihrer Fahrt in den sicheren Tod noch detaillierter auszuarbeiten und somit auf ganzer Albumlänge aus-zuweiten.
Es sind druckvolle Kompositionen, mit denen NUCLEAR STORM auf eine gefahrenvolle Reise auf hoher See entführen und in denen sie sich nicht von irgendwelchen Genregrenzen aufhalten lassen. Denn während noch „The Animal“ als dynamischer Opener und das nachfolgende „The Crew“ recht flotten und geradlinigen Death Metal mit deutlich melodischer Schlagseite bereit halten, werden „The Empire“ mit Klavierarrangements oder „The Great White“ mit leidenschaftlichem Klargesang in ihrem Spektrum erweitert und in „Deadman’s Island“ zeigen sich die verspielten Sechssaiter tief im klassischen Metal verwurzelt. All diese unterschiedlichen Komponenten werden zu einer bunten Mixtur vermengt, in der es viel zu entdecken gibt und die trotz der zahlreichen Elemente einen gemeinsamen Nenner besitzt. In der zweiten Hälfte von „TALES FROM THE DEPTH“ widmen sich NUCLEAR STORM ab „Evil Spirit“ mit Texten über Dämonen oder blutige Rachephantasien dann eher typischen Themen, bleiben ihrer ausgewogenen Mischung beider Stilistiken jedoch treu und liefern vor allem mit „Fate Of Mankind“ eine eingängige Nummer ab, deren Chorus mit seinen theatralischen Vocals nur etwas unpassend ist. Diese wirken auch in „Untertaker“ wie ein Fremdkörper und sorgen dafür, dass die Platte mit einem ziemlich schwachen Titel ausklingt. Hier war die Experimentierfreude definitiv zu viel des Guten.
Es darf nicht erwartet werden, dass „TALES FROM THE DEPTH“ in solch atemberaubende Untiefen wie etwa „SWALLOWED BY THE OCEAN’S TIDE“ hinabführt, fehlt dem Songwriting hierfür noch das nötige Gespür für die richtig packenden Ideen. Dennoch liefern NUCLEAR STORM ein mutiges und mit viel Liebe zum Detail ausgestattetes Werk ab, dessen Tracks zwar nicht gleichbleibend auf dem selben Level unterwegs sind, aber dennoch zu gefallen wissen. Etwas mehr Arbeit hätte jedoch noch in die Produktion fließen dürfen, wirkt diese etwas unausgegoren und lässt besonders die Growls stellenweise etwas blutleer ertönen.