Urn – Interview

24. November 2019
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Fast zehn Jahre lang war es still um URN und niemand wusste sicher, ob es jemals eine neue Platte geben würde. Doch plötzlich meldeten sich die finnischen Prügelknaben mit dem fulminanten “THE BURNING“ zurück! Damit nicht genug, wird in diesem Herbst mit “IRON WILL OF POWER“ bereits ein weiteres Album nachgelegt, das seinen Vorgänger hinsichtlich Intensität und Vielschichtigkeit sogar noch übetreffen kann. Wir haben bei “Sulphur“ nachgefragt, woher dieser plötzliche Schaffensdrang kommt und erfuhren zudem, wie es momentan um die Band steht und was die Zukunft für URN bringen wird.

I. Zunächst einmal vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Wie geht es Dir, seid ihr in Tampere schon fest im eisigen Griff des Winters?

Hey, ist ein Teil des Geschäfts, keine Sorgen! Es ist gut, meine Frustration manchmal bei Interviews ausbrechen zu lassen. Also danke, dass du mein Mülleimer hierfür bist, haha!! Woher kommt diese ganze Frustration? Das Geschäft ist beschissen, aber so möchte ich es auch, abseits davon, mein beschissenes Leben zu genießen. Derzeit sind wir definitiv im Griff des Winters. Es ist dunkel, wenn du aufwachst und es ist nicht viel Licht übrig, wenn du von der Arbeit nach Hause kommst. Passt gut zu meiner Stimmung. Ansonsten ist alles in Ordnung. Naja, ich war in den letzten Monaten ziemlich oft in der Wildnis unterwegs. Die Jagdsaison ist angebrochen, daher ist es für mein seelisches Gleichgewicht schön, alleine in der Natur und außerhalb der Städte zu sein.

II. Vor etwas mehr als einen Monat habt ihr mit “IRON WILL OF POWER“ ein neues Album veröffentlicht. Wie sind die Rückmeldungen bisher ausgefallen? Bist Du mit den ersten Reaktion von Fans und Kritikern zufrieden oder interessierst Du Dich gar nicht für Reviews und dergleichen?

Das Feedback scheint soweit gut zu sein, wie auch die Kritiken. Das haben wir erwartet, als wir an den Songs gearbeitet und sie vollendet haben und dann das Ergebnis gehört haben. Wenn wir zufrieden sind, kann nichts schief gehen. Natürlich beschweren sich einige Leute darüber, „dass wir das nicht tun oder das nicht zu sein“, was auch immer. Wir sind nicht hier, um alle zufrieden zu stellen. Zumindest die eigene Bedürfnisse sind befriedigt!

III. Wie würdest Du den Charakter von “IRON WILL OF POWER“ selbst in wenigen Worten zusammenfassen und wie bewertest Du die Platte im Kontext der bisherigen Diskographie von URN?

Wie der Albumtitel schon sagt. Bisher ist es die „technischste“ und herausforderndste Arbeit, die wir geleistet haben. Es war bestimmt auch die längste Zeit im Studio. Wie wir hier feststellen, wären auch in der Vergangenheit einige Tage länger nicht schlecht gewesen, um den letzten Schliff an den Songs zu vollenden.

IV. Sind die neun Tracks von “IRON WILL OF POWER“ alle nach der Veröffentlichung der letzten Platte entstanden oder hast Du auch auf bereits vorhandenes Material zurückgegriffen, das nicht für “THE BURNING“ genutzt wurde? Immerhin wirken die Songs der beiden Alben teilweise wie aus einem Guss, sodass diese Vermutung zumindest nahe liegt.

Einige Grundgerüste der Songs wurde im selben Zug wie “The Burning“ geschrieben. Eigentlich hat mein Schreibprozess die ganze Zeit direkt nach und vor den Aufnahmen dieser Platte stattgefunden. Ich habe ein paar Line-Up-Änderungen vorgenommen und Axeleratörr war die zusätzliche Würze in der Suppe, als ich die Songs komponiert habe. Wir haben ziemlich viel zusammen gemacht und uns gegenseitig Tracks und Riffideen zugeschickt. Wir leben in unterschiedlichen Städten und haben nicht viel Zeit, um uns zu treffen und die Songs zu komponieren. Deshalb haben wir zu Hause ziemlich viele Aufnahmen gemacht und die grundlegenden Arbeiten so erledigt. Bei den Proben haben wir nur fertige Stücke geprobt, sind mit ihnen gewachsen und haben darauf gehört, wie sie zu klingen beginnen.

V. Nach der Veröffentlichung von “SOUL DESTROYERS“ hat es fast zehn Jahre gedauert, bis mit “THE BURNING“ endlich wieder ein neues Album erschien. Wie kam es zu dieser langen Auszeit? War einfach die Luft raus oder gab es andere Gründe, die dazu geführt haben, dass kein neues Material mehr geschrieben wurde?

Ein Mangel an Motivation und das Line-Up hat sich aufgelöst. Ich hatte neue Leute zum Spielen, aber es war eine „Ich bin fertig damit, scheiß drauf!“ Einstellung. Es hat einige Jahre gedauert, bis die Motivation wieder da war, aber ich denke, es hat sich ausgezahlt, da ich mehr Hunger hatte als je zuvor.

VI. Umso erstaunlicher ist es natürlich, dass nun innerhalb von lediglich zwei Jahren gleich zwei so starke Alben veröffentlicht wurde und das, obwohl Du nach “THE BURNING“ eine komplett neue Besetzung für URN zusammenstellen musstest. Woher kommt diese plötzliche Energie und Kreativität?

Mm…zwei Alben, aufgenommen in eineinhalb Jahren. Eigentlich, wenn ich jetzt die ganze Zeit den gleichen Fluss gehabt hätte, hätte ich jetzt ein weiteres neues Album fertig. Zumindest alle Songs auf jeden Fall. Es ist ein Jahr her, seit den Aufnahmen der neusten Platte. Im Grunde haben wir im Lager von Urn ziemlich lange im Leerlauf gehangen. Derzeit ist nicht viel los beziehunsgweise ist sogar im letzten Jahr nicht viel los gewesen. Die Motivation versteckt sich momentan, auch wenn die Kreativität mich manchmal sehr an diese erinnert. Ich habe das Problem gelöst, indem ich nicht so viel mit der Gitarre gespielt habe. Ich lasse sogar meine Aufnahmeprogramme ausgeschaltet. Es ist ziemlich schwierig, das tägliche Leben und die Arbeit mit Urn ohne jegliches Einkommen zu kombinieren. Ich hatte mittlerweile zwei Burnouts, weil ich in den letzten fünf Jahren nur Musik gemacht habe. Vielleicht sagt das ein bisschen aus, wie viel ich getan habe oder wie groß die Mauer war, gegen die ich geknallt bin. Es ist unmöglich, Deine Kreativität zu nutzen und sich selbst zu motivieren, wenn nicht viel mit den Dingen passiert, die Du tust. Oder lass es mich so sagen, es ist viel einfacher, etwas anderes zu tun, bei dem Du zumindest ein monatliches Einkommen erzielst. Wie auch immer, es war der Grund dafür, dass es in den letzten zwei Jahren ziemlich viel Spaß gemacht hat. Da ich mich komplett geweigert habe, einer „normalen“ Arbeit nachzugehen und mich auf Musik konzentriert habe. Ich habe viel dafür gelebt, habe ein eigenes Studio in der Garage für die täglichen Proben und Aufnahmen gebaut. Irgendwann traf mich die Realität einfach zu hart und Du kannst nicht so leben, wenn Du kein Einkommen aus der Arbeit beziehst, die Du machst, sofern das als Arbeit gezählt werden kann. Ich zähle es als solche. Es ist ein großer Unterschied, kreativ zu sein, wenn man Geld für die Arbeit bekommt, die man macht, oder wenn man nichts dafür bekommt, oder?!

VII. Während die ersten Alben von URN noch ziemlich roh und ungeschliffen waren, greifst Du seit “THE BURNING“ vermehrt auf sehr melodische und epische Einflüsse samt Akustikgitarren sowie mehrstimmigen Gesang zurück, die dafür sorgen, dass die Songs deutlich vielschichtiger als auch reifer klingen. War es eine bewusste Entscheidung, den Charakter von URN auf eine andere Ebene zu heben und neue Aspekte in die Stücke einzubringen oder eher eine schleichende Entwicklung auf Grund sich verändernder Einflüsse und Inspirationsquellen?

Ah, ich mache nur das ehrliche Zeug, was natürlich entsteht und denke nicht so viel darüber nach, ob etwas passt oder nicht. Aufrichtig zu dem zu stehen, was Du tust, ist der Schlüssel…zum Nichts, haha! Nach „The Burning“ wurde die Messlatte mit Sicherheit höher gelegt. Ich wollte nicht „The Burning  Nr.2“ machen, es musste der letzten Platte voraus sein und ich denke, wir haben dies gut geschafft. Natürlich hat auch mein Bandkollege Axeleratörr bei den Songs mitgewirkt, also muss es einen Unterschied geben. Grundsätzlich lag die ganze Gitarrenarbeit in seiner Verantwortung und ich denke, das war auch eine gute Entscheidung. Ein frischer, aggressiver und hungriger Touch für das Album. Dieser Typ ist ein Biest im Studio und bei Proben, wo immer er seine Gitarren aufheulen lässt, gehen Fenster zu Bruch und kalter Wind weht, während Feuer dich bis ins Mark verbrennt. Klingt nach einem höllischen Wirbelwind? Nun, nur ein dämonisches Werk durch ihn und seine Gitarre! Lass den Teufel sprechen!

VIII. Nicht nur musikalisch sind Neuerungen erkennbar, hat sich doch bei den letzten beiden Alben ebenfalls der Stil der Artworks enorm gewandelt, die im Vergleich zu jenen von “DAWN OF DEVESTATION“ oder “SOUL DESTROYERS“ düsterer und zugleich deutlich ästhetischer sind. Zudem wurde das Bandlogo kürzlich umfassend überarbeitet. Würdest Du sagen, dass durch all diese Veränderungen ein neues Kapitel in der Geschichte von URN begonnen wurde oder empfindest Du diesen Wandel nicht als derart einschneidend?

Ich habe das Logo vor mehr als 25 Jahren kreiert, also war es für mich abgenutzt und alt. Ich habe immer die „Schwachstellen und Kurven“ im Logo bemerkt. Wenn ich also jemals ein neues Logo gestalten wollte, dann war dies das perfekte Timing dafür. Das bislang stärkste Album war auf dem Weg, ein neues Label und so weiter. Mit dem Ergebnis bin ich zumindest vorerst zufrieden. Mal sehen, wie es nach weiteren 25 Jahren ausssieht, ha! Änderungen beim Stil der Artworks… möglicherweise, aber ich denke eher darüber nach, Dinge auf andere Weise als in der Vergangenheit zu tun.

IX. Offenbar hat der böse Schneemann der “DAWN OF DEVESTATION“ aber immer noch einen festen Platz in Deinem Herzen, ist er auf den Artworks der letzten beiden Platten als kleines Details weiterhin vertreten, ebenso wie der Priester übrigens. Wie ist das Cover damals entstanden und woher kam die Idee dazu? Ein wenig ungewöhnlich ist das Motiv ja schon…

Ein ungewöhnliches Motiv, ja. Ein Hybrid aus Schneemännern und Spinnen kann erschreckender sein, als ein Dämon, den ein talentloser Künstler gezeichnet hat. Nun, beide können und werden dann lächerlich aussehen. Ich bin noch immer erfreut, zu wissen, welcher von beiden eine Atomkatastrophe überleben wird. Verdammt, ich denke, die Idee für ein neues Albumcovermotiv wurde gefunden. Ich muss dringend All Things Rotten kontaktieren, um Skizzen anzufertigen zu lassen.

X. Ihr habt für “IRON WILL OF POWER“ einen Vertrag bei Season Of Mist unterzeichnet und seid damit nun bei einem deutlich größeren Label zu Hause als zuvor. Wie kam es zu der Zusammenarbeit und ist diese erstmal nur auf ein Album beschränkt oder umfasst der Vertrag mehrere Veröffentlichungen?

Definitiv das größtes Label bislang. Mal sehen, was das für uns in Zukunft bringt. Der Vertrag war für ein Album, also ist die Zukunft noch offen. Ich habe überhaupt nicht mit dem Label darüber gesprochen und eigentlich sogar nicht mal überlegt, was als nächstes passiert. Ich denke, wir haben die Option für ein weiteres Album, wenn ich mich richtig erinnere…aber zuerst muss ich die Songs schreiben und dann kann ich darüber sprechen. Immer noch im Leerlauf, wie gesagt.

XI. Du bist jetzt seit einem Vierteljahrhundert in der Szene aktiv und hast in all dieser Zeit zweifelsohne eine ganze Menge erlebt. Gibt es irgendwelche besonders kuriosen oder erinnerungswürdigen Erlebnisse in der Geschichte von URN, die Dir besonders im Gedächtnis hängen geblieben sind oder Dich nachhaltig geprägt haben?

Die Zeit vergeht wie im Flug, man wird nicht jünger. Es ist klar, dass du gewisse Dinge tust, wenn du jung, wild und kreativ bist. Ich denke, wir haben viele gewöhnliche und langweilige Geschichten, etwa dass wir alle die gleiche Frauentoilette zum Masturbieren benutzt haben oder Kokain aus Nuttenarschlöchern geschnupft haben, usw. Einige Geschichten kann ich nicht einmal erzählen, da ich wahrscheinlich eingesperrt werden würde. Lass mich einen Moment darüber nachdenken, ob ich eine kuriose Geschichte zu erzählen habe…oh ja…in der Vergangenheit hatten wir einen Schlagzeuger, der in der Band ein bisschen der „Außenseiter“ und „verrückt“ war. Wir wollten gerade aufbrechen, um mit Unpure und Sabbat in Schweden und Finnland auf Tour zu gehen. Der Schlagzeuger rief mich an, um mir zu sagen, dass er nicht gehen werde, da er das Gefühl habe, sich eine Grippe eingefangen zu haben und er sich etwas unwohl fühle. Na ja, ich und der Gitarrist fuhren zu seinem Haus und brüllten seine Eltern an, dass wir auf jeden Fall auf Tour gehen würden und er müsse mitmachen! Also haben wir ihn mit ein wenig Gewalt in ein Auto gezwungen und sind auf Tour gegangen, alles gut! Wir haben ihn deswegen oft ausgelacht und sein Geld versoffen, wenn wir auf Tour oder bei Konzerten waren. Oh ja, und wir waren diejenigen, die Männerbilder aus Pornomagazinen geschnitten und geklebt in sein Schlagzeug-gepäck oder die Bühnenausrüstung geklebt oder gesteckt haben.

Meistens waren es solche Geschichten … sind wir zurückgeblieben oder was zum Teufel ist bei uns los!?!

XII. Es kommt nicht sehr oft vor, dass URN live zu sehen sind. Bist Du nur sehr wählerisch, was die Auftrittsangebote anbelangt oder magst Du es einfach nicht sonderlich auf einer Bühne zu stehen?

Ha! Nichts davon … eine dritte Vermutung? Wir sind bereit für Konzerte und Touren, deshalb gibt es uns. Frag also deinen örtlichen Veranstalter, nicht uns!

XIII. Kannst Du schon verraten, ob es im kommenden Jahr die Möglichkeit geben wird, ein Konzert von URN in Deutschland zu erleben?

Bisher ist nichts gebucht. Mal sehen, das Interesse und die Nachfrage sind hoch, aber es hängt immer noch von Veranstaltern ab, nicht von uns.

XIV. Wie sind Deine Pläne für URN in den kommenden Monaten? Wirst Du gleich wieder an neuem Material arbeiten oder es zunächst ein wenig ruhiger angehen lassen?

Ich habe keine konkreten Pläne, die Dinge sind sehr offen und es spielt keine Rolle, wie sehr ich das Bedürfnis habe, auf der Bühne zu stehen oder darauf warte, Shows zu spielen. Es bleibt bei einem Bedürfnis. Ich bin nicht hier, um die Gigs zu buchen und Konzerte zu veranstalten. Ich bin hier, um zu spielen, ganz gleich, ob alleine zu Hause, bei Proben oder live. Zwei Dinge davon kann ich mit meinem eigenen Willen umsetzen. Beim dritten wird es ein bisschen schwer.

XV. Die letzen Worte gehören Dir…

Ich habe nicht viel zu sagen, ich fühle mich ziemlich leer. Um uns wieder voll durchstarten zu lassen und live zu sehen, wendet euch an eure örtlichen Veranstalter!!!

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