Glutwind Black Metal Veranstaltungen – Interview
Für gewöhnlichen werden in Interviews Musikern die unterschiedlichsten Informationen zu ihren aktuellen Veröffentlichungen oder Aktivitäten entlockt. EVILIZED möchte in diesem Artikel jedoch einmal Menschen hinter den Kulissen zu Worte kommen lassen. Nämlichen diejenigen Personen, die mit Eifer und Herzblut dafür Sorge tragen, dass den stetig zahlreicher werdenden Gruppierungen weiterhin eine Möglichkeit geboten wird, ihr Liedgut auch vor Publikum zu präsentieren. Anlässlich des ersten Aktes der GLUTWIND Black Metal Veranstaltungsreihe schildert uns Initiator J.D. seine Sicht zur momentanen Konzertsituation und dem Ziel, welches mit GLUTWIND erreicht werden soll.
I. Wie seht ihr die allgemeine Veranstaltungssituation im Black Metal?
J.D.: Da muss sicherlich unterschieden werden zwischen der Situation für eine Band und einem „normalen“ Fan. Eine deutliche Zunahme an Black Metal Veranstaltungen ist in den letzten Jahren auf jeden Fall zu beobachten gewesen, was meiner Meinung nach ganz einfach daran liegt, dass der Black Metal wie auch der Metal im Allgemeinen (leider) sehr populär geworden ist und heute eine große Anzahl vor allem Jugendlicher und junger Erwachsener erreicht.
Trotz dieser Zunahme an Veranstaltungen ist jedoch auch zu beobachten, dass es gerade für junge Bands schwierig ist Auftrittsmöglichkeiten zu finden, was uns in Gesprächen mit befreundeten Bands aus dem Umkreis immer wieder bestätigt wurde. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass jeder, der eine Gitarre in der Hand halten kann, anscheinend der Meinung ist sofort eine Band gründen zu müssen, aber offensichtlich gibt es trotz der Zunahme an Veranstaltungen immer noch eine große Divergenz zwischen dem bestehenden Angebot und der Nachfrage nach Auftrittsmöglichkeiten.
II. Hat sich der Charakter schwarzmetallischer Veranstaltungen in den letzten Jahren eurer Meinung nach verändert?
J.D.: Eine Veranstaltung welcher Richtung auch immer ist zunächst einmal die Summe aus Veranstalter-Input, den auftretenden Bands sowie dem Publikum. Mit der eben angesprochenen Zunahme an Veranstaltungen und der nach subjektiver Wahrnehmung noch größeren Zunahme an neuen Bands besteht natürlich die Gefahr, dass die Qualität des Dargebotenen erheblich leidet, weil aus der Masse der zur Verfügung stehenden Bands nicht mehr sorgfältig genug ausgewählt wird. Inwieweit dies tatsächlich zutrifft möchte ich nicht kommentieren; meiner Meinung nach gibt es unabhängig vom quantitativen Niveau an Bands immer eine Handvoll wirklich guter Bands und einen ganzen Haufen Schrott. Dies scheint eine Gesetzmäßigkeit zu sein, die sich durch nahezu alle Bereiche des Lebens zieht…
Zurück zum, ich nenne es mal Dreiklang aus Veranstalter, Bands und Publikum: Von Veranstalterseite wird verständlicherweise häufig nur auf die „Trends“ innerhalb der Szene reagiert und sobald kommerzielle Absichten hinter einem Konzert stehen wird natürlich die Band eingeladen, die gerade angesagt ist und von vielen Fans gesehen werden will. Darüber hinaus gibt es wenige Veranstalter, die dieses Konzept noch durch eigene Ideen und Anregungen ergänzen wollen oder auch können.
Die Bands sind zu einem nicht unerheblichen Teil ebenfalls Reaktionen aus der eigentlichen Szene heraus und wie wenig sich seit zwanzig Jahren im Black Metal getan hat sieht man schon an solchen Tatsachen, dass jede zweite neue Band „den Geist der frühen 90-er Jahre“ beleben will und krampfhaft versucht genauso zu klingen und noch extremer gegen das Christentum zu sein, ohne natürlich jemals hinterfragt zu haben, warum das denn so sein muss…
Das bestimmende Element ist also das Publikum; hier muss sich jeder Einzelne, der sich dem Black Metal verbunden fühlt, fragen, was der Black Metal für ihn bedeutet und wo er den Black Metal sehen will.
Ansonsten hat sich meiner Meinung nach in den letzten Jahren aber relativ wenig geändert, die Black Metal Anhänger von früher sind größtenteils erwachsen geworden, die Bands der ersten Stunden zum Großteil ebenso, nur der Black Metal als Solches ist leider nicht erwachsen geworden und stagniert auf einem Niveau, das weit unter den eigentlich erreichbaren Möglichkeiten liegt; hier herrscht an allen Ecken und Enden immer noch dieser jugendliche Übermut voller Provokation, unüberlegter Freund-Feind-Bilder und einer Jugendkultur, die mehr Interesse an Bier als an persönlicher Entwicklung zu haben scheint. An diese Stelle tritt GLUTWIND, um die in der oberflächlichen Asche verborgenen Funken eine Möglichkeit zu geben, den Black Metal weiterzuentwickeln und zu einer Flamme der menschlichen Entwicklung werden zu lassen.
III. Es existiert nach wie vor ein großes Angebot an Veranstaltungen im Black Metal. Warum seid ihr der Meinung, mit GLUTWIND eine weitere Konzertreihe ins Leben rufen zu müssen?
J.D.: Interessant, in der ersten Frage eine subjektive Antwort haben wollen und die objektive Antwort dann in Frage 3 vorgeben hehehe…
Aber zurück zum Thema: Wie ich in der vorangegangenen Frage erläutert habe sehe ich abseits der privaten Kontakte im Freundeskreis keine Plattform, die sich ernsthaft mit dem Black Metal auseinandersetzt. Der Black Metal ist ein machtvolles Instrument in der persönlichen Entwicklung; wer sich darauf einlässt wird eine ganze Menge über sich selber, über die in jedem Menschen wohnenden negativen Emotionen und auch über den Menschen im Allgemeinen lernen; diese Ebene wird sträflich vernachlässigt und so sind Black Metal Veranstaltungen zum großen Teil nichts weiter als eine Ansammlung von Bands, die meinen Black Metal spielen zu müssen. Diesem Trend möchte sich GLUTWIND entgegenstellen; wir akzeptieren es nicht, dass der Black Metal auf seine musikalische Ebene reduziert wird und möchten den Interessierten einen Einblick geben, welche Bedeutung und Stärke das Individuum hat und wozu es in der Lage ist, wenn es konsequent seinen eigenen Weg geht. Der Black Metal kann in diesem Zusammenhang als Wegweiser gesehen werden. So wie die Wolke auf den kommenden Regen hindeutet, soll GLUTWIND auf diesen Wegweiser hindeuten.
Uns ist bewusst, dass sich ein solches Ziel nicht von heute auf morgen umsetzen lassen wird und das das Erreichen oder Scheitern dieses Zieles auch von der Resonanz abhängen wird, die wir erfahren. Nicht jeder Mensch ist zum Black Metal geboren und wer ganz einfach einen guten Abend verbringen will, ein paar Bier trinken will und sich gute Bands anhören will ist natürlich genauso eingeladen, uns auf unserem Weg zu begleiten, aber grundsätzlich möchten wir eine Ebene tiefer gehen und nicht nur an der Oberfläche kratzen.
Um die Antwort zusammenzufassen: GLUTWIND ist in erster Linie eine Veranstaltungsreihe für hoffnungsvolle Black Metal Bands mit großem oder auch geringerem Bekanntheitsgrad, die unserer Meinung nach eine Entwicklung im Black Metal forcieren können. Darüber hinaus arbeiten wir an einem thematischen Unterbau, der den Black Metal wieder von Klischees und Oberflächlichkeiten befreit.
Vielleicht muss der heutige Black Metal erst einmal brennen, um die Asche von der Glut zu trennen…
IV. Einige Veranstalter versuchen ihre Konzerte mit möglichst exklusiven Shows aufzuwerten. Dem Besucher werden einmaligen Auftritte von Gruppierungen geboten, die über lange Zeit vollständig in der Versenkung verschwunden waren oder schlicht und ergreifend seit Jahren keine Bühne mehr betreten haben. Auch lediglich eine spezielle Songsauswahl oder der Gebrauch von Blut und Innereien scheinen neuerdings auszureichen, um die Präsenz einer Band auf dem Billing zu rechtfertigen. Nach welchen Kriterien habt ihr die Auswahl für eure erste Veranstaltung gewählt?
J.D.: Haha, in Bezug auf das Blut und die Innereien weiss ich, auf welches Konzert du anspielst…Einen solchen Quatsch haben wir bei GLUTWIND allerdings nicht nötig, wir wählen unsere Bands sehr sorgfältig aus, sind von ihrer Qualität zu 100 Prozent überzeugt und müssen dies dann entsprechend nicht noch künstlich aufbessern. Die Beobachtung, die du gemacht hast, ist aber vollkommen richtig und ist meiner Meinung nach ein eindeutiges Zeichen, dass die Konsumgesellschaft den Black Metal für sich entdeckt hat. Die Mystik einer Live-Darbietung sowie die Atmosphäre eines Black Metal Konzertes haben ihren Wert verloren, wenn sich das Publikum in einer Welt zuhause fühlt, die von konsumgesteuerter Mittelmäßigkeit gekennzeichnet ist, wo das minderwertige Produkt eben noch durch das „Special“ aufgebessert werden muss, um das Gefühl des „Besonderen“ hervorzurufen.
Die Auswahl der bei GLUTWIND auftretenden Bands folgt natürlich zunächst einmal unserem eigenen subjektiven Geschmack; eine Band, mit der wir nichts anfangen können wird selbstverständlich auch nicht eingeladen! Darüber hinaus legen wir großen Wert darauf, dass eine Band auch etwas zu sagen hat und das lyrische Konzept nicht schon durch Themen über Wald/ Winter und Satan ausgeschöpft ist. Mit diesem Hintergrund sind wir sehr froh, dass wir entsprechende Bands verpflichten konnten; IRRLYCHT haben mit ihrem Text beispielsweise zu „Urangst“ ein wahres Meisterwerk über die Tiefen dieser im Menschen verankerten Emotion geschaffen und RABENHOLZ erarbeiten für ihr nächstes Album gerade ein Konzept um „die göttliche Kömödie“ von Dante; immerhin ein wahrer Klassiker der Menschheitsgeschichte, der viele Parallelen zum Black Metal aufweist.
V. Was dürfen Besucher des ersten Aktes von GLUTWIND erwarten?
J.D.: Wenn du schon so fragst, dann natürlich einmalige Auftritte, eine spezielle Songauswahl bei jeder Band und natürlich der massenhafte Gebrauch von Blut und Innereien hehehe.
Nein, im Ernst; was die Besucher erwarten können ist unserer Internetpräsenz auf www.myspace.com/glutwind zu entnehmen; alle Informationen werden dort veröffentlicht.
VI. Auf eurer Internetpräsenz sprecht ihr davon mit GLUTWIND eine Plattform zur Diskussion und Auseinandersetzung schwarzmetallischer Thematiken zu bieten. Bislang konnten sich diesbezüglich noch keine Aktivitäten erkennen lassen. Wie soll die Umsetzung diesbezüglich aussehen?
J.D.: Das ist richtig, und auch wenn bisher keine Aktivitäten in dieser Richtung wahrzunehmen sind, so heisst das nicht, dass diesbezüglich keine Aktivitäten stattfinden.
Die Ausarbeitung dreier verschiedener Themen ist bereits relativ weit fortgeschritten und zwar habe ich mir für den Anfang die Misanthropie, das Verhältnis von Christentum und Satanismus sowie das leidige Thema des NSBM vorgenommen. Ich werde versuchen, die Bedeutung bzw. die Relevanz (so sie denn gegeben ist) dieser Themen für den Black Metal zu beleuchten, ihren „historischen“ Kontext über die letzten zwei Dekaden zu umreissen und auch den Einfluß herausstellen, den sie jeweils auf die Entwicklung des Black Metal genommen hat. Besonders der Einfluß ist meiner Meinung nach ein ganz zentrales Thema, da der Black Metal hier teilweise über Dinge definiert wird, die wenig bis gar nichts mit seinem eigentlichen Kern zu tun haben. Dies ist eine Entwicklung, der Glutwind entgegensteuern will; das Wesen des Black Metal muss wieder in den Mittelpunkt gerückt werden und dazu gehört es für uns dann eben auch, dass die Heuchelei und Unvereinbarkeit von gängigen Phrasen im Black Metal mit diesem Wesen aufgezeigt werden müssen.
Dass du nach der Umsetzung fragst ist ein berechtigter Einwand. Wir hatten anfangs überlegt, dass wir unsere Gedanken zu Papier bringen, diese mit ausgewählten Bands und ihren Individuen diskutieren und das Ergebnis in einem Blog auf unserer Internetpräsenz für eine interessierte Leserschaft zugänglich machen, die dann ihrerseits Anmerkungen und Kommentare dazu einfließen lassen können. Von diesem Konzept haben wir mittlerweile aber Abstand genommen; man muss sich bewusst sein, dass das Internet als Kommunikationsmedium ein Medium der Beliebigkeit ist. Jeder kann seine Meinung, so nichtssagend und irrelevant sie auch sein mag, anonymisiert verbreiten und dies spiegelt sich natürlich auch in der Qualität der Beiträge wider. Jeder, der einmal in einem Forum gelesen hat, wird das bestätigen können. Der Zielsetzung einer ernsthaften und qualitativ hochwertigen Diskussion steht dies im Wege.
Intern werden bei uns aus diesem Grund gerade verschiedene andere Möglichkeiten diskutiert, wie wir die Auseinandersetzung und die Diskussion über ausgewählte Themen vorantreiben werden; spruchreife Details werde ich dazu jedoch noch nicht preisgeben.
VII. Wie sieht die Zukunft von GLUTWIND aus? Gibt es bereits konkrete Pläne?
J.D.: Der erste Akt der GLUTWIND Konzertreihe wird ein Gradmesser sein, in welchem Bereich sich unsere Aktivitäten in Zukunft konzentrieren werden. Bands für zwei bis drei weitere Akte haben wir bereits zusammen…
Die von uns in der vorangegangenen Frage kommunizierte inhaltliche Auseinandersetzung wird ein weiteres Gebiet erschließen, auf das ich an dieser Stelle jedoch noch nicht eingehen möchte; wir stehen am Anfang einer Entwicklung in diesem Bereich und im Oktober wird sich entscheiden, ob und in welchem Umfang wir uns weiter aufstellen werden.
VIII. Die letzten Worte gehören euch….
Die letzten Worte sind noch nicht gesprochen; an dieser Stelle erst einmal vielen Dank für das Interview und euch weiterhin viel Erfolg mit EVILIZED!