Au-Delà – Sentence

18. Mai 2021
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Es ist bemerkenswert, dass nahezu die gesamte schwarzmetallische Szene des Grand Est sowie der näheren Umgebung offensichtlich aus einer sehr überschaubaren Zahl unterschiedlicher Musiker zu bestehen scheint, die allesamt in mehreren Formationen aktiv sind. Dies wird bei einem Blick auf die Besetzung von AU–DELÀ nochmals verdeutlicht, besteht die dreiköpfige Gruppe aus Belfort, die zwar schon seit einigen Jahren existiert, aber erst in diesem Sommer ihr Debütalbum vorstellt, in erster Linie aus Musikern von MALEVOLENTIA und KARNE und gehört somit ebenfalls zur stetig wachsenden Familie von Epictural Production. Angesichts der starken Veröffentlichungen des französischen Labels der jüngeren Vergangenheit, ist dies auf jeden Fall ein erster vielversprechender Hinweis darauf, dass mit “SENTENCE“ ein hochwertiges Werk vorgelegt wird.

Innerhalb nur weniger Sekunden wird diese freudige Hoffnung jedoch von einem akustischen Chaos zerschlagen, prügelt “Décharné“ ohne jegliche Vorwarnung gleich einem groben Holzknüppel aufgebracht auf den ahnungslosen Hörer ein und lässt diesen absolut verständnislos zurück. Während auf den bisherigen Veröffentlichungen des Labels bisher weitestgehend melodisch oder gar folkig geprägter Black Metal dargeboten wurde, entpuppt sich “SENTENCE“ in seinen ersten Takten als garstige Mixtur aus wütendem Thrash und primitivem Punk, garniert mit dezent schwarzer Note und somit als ziemlich gewöhnungsbedürftig. Hinzu kommt, dass der wüste Track sich nicht etwa innerhalb kürzester Zeit auskotzt und ein jähes Ende nimmt, sondern sich über fast neun Minuten erstreckt. Somit liegt natürlich die Vermutung nahe, dass AU–DELÀ im weiteren Verlauf des Songs noch mehr zu bieten haben, als ein verworrenes Inferno aus explosiven Blasts und klirrenden Powerchords. Ja, tatsächlich verleiht das Trio seiner Schöpfung viele Gesichter, sodass reichlich Tempovariationen, kerniges Riffing mit skandinavischer Prägung sowie dominante Bassspuren eine sehr facettenreiche Komposition entstehen lassen, die in ihrer Gesamtheit betrachtet die anfängliche Skepsis vollständig hinfällig werden lässt.

Nicht weniger vielschichtig gestaltet sich letztendlich der gesamte Langspieler, der sich abseits all der traditionelleren Passagen recht experimentierfreudig und stellenweise offen für gerneuntypische Elemente zeigt. Den räudigen Charakter wird “SENTENCE“ zwar auf Grund der keifenden Vocals nie wirklich los, doch fallen “Veni Vedi Vici“ oder “Perfectible Chaos“ bereits etwas eingängiger aus und erinnern mit ihren flirrenden Tremoloriffs zuweilen gar an frühe TAAKE, wobei sogar ein paar hymnische Parts nicht fehlen, die sich überraschend stimmig einfügen. Wieder voll die rockige Attitüde aufleben lässt hingegen “Bitchkiller Bliss“ mit einem fetzigen Rhythmus, ganz so, wie es sich für eine Nummer mit einem solch plakativen Titel gehört. Daneben existieren jedoch auch ganz ruhige Momente auf dem mehr als einstündigen Album. Damit ist nicht einmal der kurze Ambienttrack etwa zur Halbzeit gemeint, der leider nicht wirklich viel Mehrwert bietet, sondern stattdessen das sich als düsteres Instrumentaltal herausstellende “…Subdivision…“, das als beklemmendes Gitarrensolo beginnt, wobei sich die hallunterlegten Klänge in ihrer Intensität allmählich steigern, bis gegen Ende die übrigen Instrumente einsteigen und sich in sperrigen Arrangements ergehen. Auf einen solchen Klimax verzichtend, bleibt es im fast 7-minütigen Outro bei lediglich zwei Sechssaitern mit unterschiedlich starker Verzerrung, die sich ein schwelgendes Duett liefern und einen kontrastreichen Ausklang zum so ruppigen Einstieg liefern.

Trotz des schwarzmetallischen Rahmens, in den der Rundling eingefasst ist, erweist sich “SENTENCE“ als abwechslungsreiches Werk mit viel Substanz und zahlreichen Details, die entdeckt werden wollen, zu denen der erhabene Chorgesang in “Fenix“ oder “We Leave“ ebenso zählt, wie die tollen Gitarrenharmonien und die immer wieder herausstechenden Bassläufe, mit denen AU–DELÀ ihrem an sich kantigen Schaffen einen weichen Unterton verleihen. Im krassen Gegensatz zu diesem stehen natürlich die erwähnten hektisch brüllenden Vocals, die sicherlich Geschmackssache sind, allerdings nicht so omnipräsent, als dass sie stören würden. Fast zum Verhängnis wird “SENTENCE“ jedoch seine recht ausufernde Laufzeit, sind die elf Titel – im positiven Sinne – so vollgestopft, dass es schwer fällt, all die mannigfaltigen Eindrücke umgehend zu verarbeiten. Daher empfiehlt sich, das umfangreiche Debüt nicht unbedingt am Stück zu hören, sondern zwischendurch zu pausieren und sacken zu lassen. Auf diese Weise lässt sich am besten erfassen, was für ein ausgefallenes Album die drei Herren erschaffen haben.

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