Hyems – Anatomie des Scheiterns

20. Juni 2020
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HYEMS melden sich zurück! Nicht einmal volle zwei Jahre nach der Veröffentlichung ihrer letzten EP, auf der die mittelhessischen Recken einen nostalgischen Blick in ihre lange zurückliegenden Gründungstage warfen, erscheint in diesem Sommer die mittlerweile dritte Platte der grimmigen Truppe, für die ein frischer Vertrag mit Black Sunset / MDD unterzeichnet wurde. Die wohl markanteste Neuerung auf dem als „ANATOMIE DES SCHEITERNS“ betitelten Langspieler stellt zweifelsohne der personelle Wechsel am Posten hinter dem Schlagzeug dar, den im vergangenen Jahr mit „C.A.“ ein neuer Drummer einnahm, nachdem „J.K.“ seinen dortigen Platz nach mehr als zehn Jahren verlassen hatte. Stilistisch hingegen, sind bei HYEMS keine grundlegenden Veränderungen zu erwarten, geht es auf dem neuen Rundling absolut kompromisslos weiter wie bisher, sodass sich über infernalischen Black Metal der alten Schule gefreut werden darf.

Dies soll allerdings nicht bedeuten, dass die fünf Herren nach zwei Jahrzehnten mit ihrem hasserfüllten Songwriting plötzlich auf der Stelle treten, ganz und gar nicht. Vielmehr sind HYEMS eine jener Bands, deren schrittweise und kontinuierliche Weiterentwicklung sich von Werk zu Werk wunderbar mitverfolgen lässt. Niemals sind die stilistischen Modifikationen zu dominant und doch stets deutlich hörbar. Dementsprechend offenbart auch „ANATOMIE DES SCHEITERNS“ einige neue Motive, erweisen sich die sieben Tracks als atmosphärisch dichter als das frühere Material, während etwa die besonders auf „1997“ vorherrschende rotzig-punkige Attitüde in den Hintergrund weicht.

Zunächst auf martialische Art und Weise von einem stampfenden Marschrhythmus eröffnet, lässt „Triumph des Scheiterns“ nach nur wenigen Takten eine flammende Salve bissiger Riffs auf den Hörer niederprasselt, die in weiten Abschnitten des fast 7-minütigen Tracks von zahlreichen düsteren Leads begleitet werden. Diese sorgen dafür, dass die ohnehin dunkle Stimmung noch eine ganze Ecke bedrückender ausfällt. In den nachfolgenden Stücken bleiben diese melodischen Akzente der beiden Sechssaiter ein fester Bestandteil der vielschichtigen Songstrukturen und verleihen sowohl dem sich passagenweise fies dahinschleppenden Midtempo von „Siechtum – Briefe vom Ende“ sowie dem gnadenlos knüppelnden „Morgendämmerung“ ihren besonderen Charme. Nicht erst, wenn die Leads wie beispielsweise in „In diesem Graben“ gedoppelt werden, wird klar, dass die Einflüsse, die HYEMS in ihrem Material verarbeiten, weit über das schwarzmetallische Genre hinausgehen. Trotz des intensiv atmosphärischen Charakters von „ANATOMIE DES SCHEITERNS“ muss doch fehlende Härte nicht beklagt werden, geben die fünf Marburger ihrem Neuzugang an den Drums ausreichend Gelegenheit sich nach allen Regeln der Kunst auszutoben und somit unter Beweis zu stellen, dass er seinem Vorgänger in nichts nachsteht. Dabei wirkt die brachiale Raserei nie primitiv oder wahllos, ist die vielschichtige Gitarrenarbeit hierfür viel zu strikt durchdacht und anspruchsvoll. Eben dieser erhöhte Anspruch, mehr als nur durchschnittliche Genrekost abliefern zu wollen, spiegelt sich ebenfalls in der Lyrik wider, die sich mit gesellschaftskritischen Themen befasst, dabei in „Zerwürfnis im Tal Josaphat“ sogar religiös-historische Aspekte betrachten, während die Botschaft von „In diesem Graben“ wohl leider nie an Aktualität verlieren wird und „Siechtum – Briefe vom Ende“ fast schon als eine Vorhersehung des derzeitigen globalen Zustandes betrachtet werden kann.

Fernab von okkultem Unfug oder infantiler Teufelsverehrung, liefern HYEMS ein erwachsenes und durchdachtes Werk mit packender Instrumentalarbeit, die sicherlich nicht vor innovativen Ideen strotzt, aber mit ihrem ganz eigenen Stil die prägenden Einflüsse der Truppe aus dem Black Metal der frühen 90er Jahren in ein neues Gewand hüllt, ohne den Blick über den Tellerrand zu vergessen. Dies reicht aus, um „ANATOMIE DES SCHEITERNS“ zu einer der interessantesten Platten des Genres in diesem Jahr zu machen.

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