Khôra – Timaeus
Während die meisten norwegische Kapellen zu Beginn der zweiten Welle des Black Metals noch einen durch und durch puristischen Klang anstrebten, dauerte es nicht lange, bis die ersten Bands, wie ARCTURUS, DØDHEIMSGARD oder VED BUENS ENDE versuchten, das schwarze Genre mit anspruchsvollerem Songwriting und experimentellen Elementen auf ein neues Level zu heben. Zwar wurde der ungewohnte Sound dieser neuen Werke natürlich nicht überall ausnahmslos positiv aufgenommen, doch etablierten sich viele dieser avantgardistisch agierenden Formationen, die bis heute heute aktiv sind und sogar weiterhin als Inspiration für eine jüngere Generation dienen.
Hierzu zählen beispielsweise die Herren von KHÔRA, einer bislang kaum in Erscheinung getretenen Band, die vor einigen Jahren zunächst von einem gewissen Oleg in Freiburg als Soloprojekt gegründet wurde, alsbald aber mit einigen internationale Musikern aus Griechenland, Norwegen sowie den Vereinigten Staaten zu einer vollständigen Kapelle erweitert wurde, die sich mit ihrem Material an den eben genannten Gruppierungen orientiert. Es lässt sich tatsächlich nur schwer sagen, ob auf dem Erstlingswerk namens „TIMAEUS“ nun progressiver Black Metal oder angeschwärzter Progressive Metal zu hören ist, dominiert keines der beiden Elemente für längere Zeit. Vielmehr durchleben die elf Tracks einen stetigen Wandel, sodass dem Hörer in „Noceo“ oder „The Purge“ bombastischen Black Metal mit derben Blasts und opulenten Keyboards kredenzt wird, der nicht zuletzt auf Grund seiner verzerrten Vocals stark an frühe DIMMU BORGIR erinnert, wohingegen sich „Existence“ in verspielt dissonanten Strukturen hektischer Riffs austobt, die ebenso von EMPEROR stammen könnten. Trotz seiner teils brachialen Härte, entführt dann beispielsweise „De Vetus Ad Novum“ mit all seinen wabbernden Synthesizern in verträumte Sphären abseits des übrigen Instrumentalspiels und in „Void“ werden gar folkloristische und futuristische Motive geschickt miteinander verwoben, sodass eine ganz und gar andere, unwirkliche und doch fesselnde Klangwelt entsteht. Passend dazu, entlockt Oleg seinem kräftigen Organ die wunderlichsten Töne, die von hysterischem Gekreische und bedrohlichen Growls bis hin zu zartem Klargesang reichen, der etwa in „l’Annihilateur“ herausragende Kontraste erzeugen kann. Ergänzt wird das technisch höchstversierte Schaffen von KHÔRA durch zahlreiche Gastbeiträge von zum Teil prominenten Kollegen, zu denen neben Henri Sorvali oder Antti Simonen auch „Vicotnik“ höchstpersönlich gehört.
Zweifelsohne haben KHÔRA mit ihrem vorliegenden Debüt ein klangtechnisch facettenreiches Werk mit hohem Anspruch kreiert, das allerdings trotz der kompakt gehaltenen Kompositionen nicht unbedingt leicht verdaulich ist und sich erst mit viel Zeit in seiner ganzen Fülle erfassen lässt. Wer diese Geduld nicht aufbringen will, sollte sich von „TIMAEUS“ fernhalten.