Hin und wieder stellen wir bei EVILIZED musikalische Werke vor, die vermeintlich nicht so recht ins herkömmliche Konzept passen wollen, da auf ihnen Ausflüge in vollkommen andere klangliche Welten unternommen werden, als in jene, die für gewöhnlich an dieser Stelle im Fokus der Betrachtung stehen. Hierzu gehört mit „HOLY AMNESIA“ auch der zweite Langspieler von PIRKAN aus der ungarischen Hauptstadt. Fernab jeglicher metallischer Anleihen, lässt die sechsköpfige Kapelle auf diesem mystischen Folk aus dem Nahen Osten mit ausgefallenem Drone verschmelzen und erschafft höchst interessante Kompositionen.
Wurden vor zwei Jahren auf dem selbstbetitelten Debütalbum mit Hilfe allerlei traditioneller Instrumente noch ausschließlich folkige Arrangements komponiert und mit unterschiedlichen Gesangsstilen versehen, erweitern PIRKAN ihr Klangspektrum um zahlreiche sehr experimentelle Elemente, die „HOLY AMNESIA“ zu eine psychedelischen Reise werden lassen, auf der es sich schnell verlieren lässt. Fällt es zunächst schwer, in der bizarren Geräuschkulisse von „Closed Eyes“ wirkliche Songstrukturen zu erkennen, entsteht durch das beruhigende Schwingen einer Klangschale sowie ein helles Glockenläuten in „An Offering“ eine angenehme rituelle Atmosphäre, die nachfolgend im 20-minütige Titeltrack zwar weitergeführt wird, allerdings auf etwas andere Art und Weise. In diesem zentralen Herzstück ihres Werkes, greifen PIRKAN nämlich wieder auf Schalmei, verschiedene Flöten und Percussion zurück, die allerdings nur nach und nach zum Einsatz kommen, sodass sich „Holy Amnesia“ in seiner Intensität immer weiter steigert. Begleitet werden die von unterschwelligen Synthesizern und effektunterlegten Vocals, die ein paar moderne Ansätze einbringen, ohne zu dominieren. Nachdem der ausufernde Track zu Beginn sehr gut unterhalten kann, verliert er gegen Ende auf Grund häufiger Wiederholungen ein wenig an Reiz, sodass es vielleicht sinnvoller gewesen wäre, ihn etwas zu kürzen. So kommt „Light Ressonance“ mit nur der Hälfte der Spielzeit aus und vermag es dennoch in eine leichte Trance zu versetzen, sofern sich der Hörer in der richtigen Stimmung hierfür befindet und sich dem Sog des Dargebotenen hingeben kann. Leicht verdaulich ist es jedoch nicht gerade, was hier mit knurrendem Kehlkopfgesang, einer Drehleiher und abermals beschwörenden Flöten erschaffen wird. Eine dagegen fast schon entspannende Wirkung kann schlussendlich „Open Sky“ hervorrufen, sind es hier in erster Linie elektronische Sounds und nicht eindeutig definierbare Instrumente, mit denen PIRKAN weite und tiefe Klanglandschaften erzeugen, die mit ihrem in sich ruhenden Charakter als sehr angenehmer Ausklang fungieren.
Zweifelsohne ist „HOLY AMNESIA“ ein interessantes und vielschichtiges Album, das aber wahrlich nicht für jede Situation geeignet ist, erfordert es die richtige emotionale Stimmung, um sich auf die experimentellen Klänge von PIRKAN einzulassen zu können. Darüber hinaus sollte der Langspieler möglichst an einem Stück gehört werden, um die dynamische Prozesse im Aufbau des gesamten Werkes richtig zu verstehen. Wer sowohl für nahöstlichen Folk, als auch Drone offen ist, sollte unbedingt antesten, ob für ihn auch diese Kombination beider Genres funktioniert.