Ein ziemlich verregneter und grauer Herbst lud bislang nicht unbedingt zu ausgedehnten Spaziergängen durch die heimischen Wälder ein. Ohne einen noch so leisen Hauch eines goldenen Oktobers, blieben uns solch herrliche Anblicke, wie jener der leuchtend gelben Buche auf dem wild-romantischen Artwork von „UNTER BRONZENEN KRONEN“ dieses Jahr leider verwehrt. Daher ist es umso schöner, dass WALDGEFLÜSTER das herbstliche Gefühl in vertonter Form mit ihrer ersten EP direkt nach Hause bringen. Nachdem er zuvor insgesamt sieben Langspieler mit jeweils nur eher kurzen Abständen zueinander veröffentlicht hat, geht Winterherz mit dem lediglich vier Stücke umfassenden aktuellen Werk einen etwas anderen Weg.
Streng genommen, findet sich auf diesem nämlich lediglich eine wirklich neue Komposition, bei der es sich um den eröffnenden Titeltrack handelt, der acht Minuten lang leidenschaftlichen atmosphärischen Black Metal bietet. In der ersten Hälfte kommt „Unter bronzenen Kronen“ dabei sehr roh daher, sind es harsche Riffs und treibende Blasts die hier dominieren, bis die Stimmung plötzlich umschlägt und WALDGEFLÜSTER nicht nur die hohe Geschwindigkeit deutlich drosseln und schwelgende Melodien ertönen lassen, sondern auch die bis dahin fiesen Growls durch emotionalen Klargesang ablösen. Hierin liegt dann auch ein Stück weit der Schwachpunkt der Kapelle, denn die deutsch gehaltenen Texte sind doch mitunter ziemlich kitschig, wenn mit reichlich Herzschmerz davon erzählt wird, wie ein junger Krieger durch weite Wälder streift, sodass es eigentlich von Vorteil ist, wenn diese nicht so leicht zu verstehen sind. Abgesehen davon ist die Nummer jedoch wirklich gelungen und lässt tatsächlich bunt gefärbte Laubdächer vor dem inneren Augen entstehen. Beim nachfolgenden „The Pit“ handelt es sich um eine interessante Coverversion eines noch relativ jungen Stückes von PANOPTICON aus den Vereinigten Staaten. Die sehr folkige, ruhige Nummer wird von WALDGEFLÜSTER mit verzerrten Sechssaitern statt schunkeligem Banjo vorgetragen, wobei jedoch der klare Gesang und die Violine erhalten geblieben sind. Tatsächlich steht dem Song auch das schwarzmetallische Gewand sehr gut zu Gesicht, fügt sich dieser perfekt ins Konzept der EP ein.
Dass es sich bei „Herbst befiel das Land MMXXIII“ um eine Neuaufnahme des gleichnamigen Songs vom vor schon fast anderthalb Jahrzehnten erschienen Debüt handelt, sollte sich von selbst erklären. Es zeigt sich hier sehr gut, welche musikalische Entwicklung in dieser Zeit von WALDGEFLÜSTER vollzogen wurde, weicht die aktuelle Version doch erheblich vom rohen Original ab, hat diese viel von ihrer ungestümen Rauheit verloren, wobei der epische Ansatz durchaus auch seine Vorzüge vorweisen kann. Grenzwertig ist allerdings abermals der schwülstige Klargesang, der schon wieder von einem einsamen umherirrenden Krieger erzählt. Diesem wird zudem weit mehr Raum gegeben, als einst auf dem Erstling, was den Track leider keinesfalls aufwertet. Eine erneut mehr als gelungene Eigeninterpretation liefern WALDGEFLÜSTER schlussendlich noch mit „Black Flies“ ab, einer ruhigen Komposition von Ben Howard, einem englischen Singer-Songwriter, der Winterherz mit seinem melancholischen Black Metal ein vollkommen neues Gesicht verleiht, in dem bei genauem Hinhören jedoch trotzdem noch Züge des Originals erkennbar sind.
Grundsätzlich ist „UNTER BRONZENEN KRONEN“ eine für Liebhaber des Genres sicherlich interessante, jedoch nicht unbedingt zwingende Veröffentlichung. Komplettisten und bedingungslose Anhänger von WALDGEFLÜSTER können zwar bedenkenlos zugreifen, ohne sich darüber ärgern zu müssen, keinen angemessenen Gegenwert für ihr ausgegebenes Geld erhalten zu haben, alle anderen jedoch sollten erstmal vorsichtig reinhören und abwägen, ob lediglich ein frischer Song sowie das zugehörige Bonusmaterial wirklich Grund genug sind, die halbstündige EP zu kaufen.