Chapel Of Disease – …And As We Have Seen The Storm, We Have Embraced The Eye

Es ist zweifelsohne eines der am sehnsüchtigsten erwarteten Werke aus heimischen Landen in diesem Jahr und nur noch wenige Tage trennen zahlreiche geduldig ausharrende Anhänger von CHAPEL OF DISEASE von der Veröffentlichung deren dritten Langspielers. Erneut haben sich die vier Rheinländer drei Jahre lang Zeit für Songwriting und Aufnahmeprozess des Albums gelassen und währenddessen fast keinerlei Shows gespielt. Nur in einer Randnotiz gab die Truppe im vergangenen Herbst ihren nicht mehr sonderlich überraschenden Wechsel zu Vàn Records bekannt und erst nach endlosen weiteren Monaten des beharrlichen Schweigens, wurde in diesem Oktober schlussendlich die Vollendung von “…AND AS WE HAVE SEEN THE STORM, WE HAVE EMBRACED THE EYE“ verkündet, eine absolut vielschichtige Platte, auf der CHAPEL OF DISEASE neue Wege beschreiten.

Entfernten sich die Herrschaften aus dem Domstadt bereits auf “THE MYSTERIOUS WAYS OF REPETITIVE ART“ in kleinen Schritten von der sehr traditionellen Ausrichtung des Debütalbums, indem sie die sieben düsteren Kompositionen enorm facettenreich gestalteten und sich aufgeschlossen für nicht todesmetallische Elemente zeigten, lassen CHAPEL OF DISEASE dieser Entwicklung auf dem neusten Werk ein weiteres Mal freien Lauf ohne sich an Genregrenzen gebunden zu fühlen, mit dem Ergebnis, dass sich “…AND AS WE HAVE SEEN THE STORM, WE HAVE EMBRACED THE EYE“ fast vollständig vom einstigen Old School Death Metal mit rumpelndem Sound loslöst und sich neuen Klangwelten hingibt. Dies wird schon innerhalb der eröffnenden Takte von “Void Of Words“ deutlich, präsentiert sich das einprägsame Riffing der erdig klingenden Gitarren als wunderbar erfrischend und locker, ohne die nötige Härte zu vergessen, die pünktlich mit den kehligen Vocals einsetzt und für kurze Zeit zurück zum knüppelnden Death Metal führt, wenngleich dieser mit viel mehr Raffinesse als zuvor ausgestattet wurde. Es dauert nicht lange, bis sich plötzlich lässiger Classic Rock in die Strukturen einschleicht, der nach und nach das Szepter mit nur leicht angezerrten Gitarren übernimmt und den mehr als 7-minütigen Song in einem ausuferndem Gitarrensolo gipfeln lässt, das mit seiner unfassbaren Leichtigkeit an “Free Bird“ erinnert und somit das erste Highlight des Albums darstellt. Es zeigt sich schon nach diesem ersten Track, dass CHAPEL OF DISEASE mit ihrem neusten Album ein ganz großes Werk erschaffen haben und doch gibt es noch so viel mehr Details zu entdecken.

In den nachfolgenden fünf Kompositionen offenbaren CHAPEL OF DISEASE mit zahreichen unterschiedlichen Elementen aus dem traditionellen Hard Rock und Heavy Metal, die sich so absolut selbstverständlich und nahtlos in den kernigen Death Metal einfügen, dass sie sich auf “…AND AS WE HAVE SEEN THE STORM, WE HAVE EMBRACED THE EYE“ ihren völlig eigenständigen Sound erschaffen haben, der sich mit keiner anderen Formation vergleichen lassen will. Während etwa “Oblivious – Obnoxious – Defiant“ mit verspielten Twinleads eröffnet wird, sich nach ebenso harscher wie melodischer Raserei in einem stampfenden Midtempo fängt, um endlich in einem mystisch-atmosphärischen Finale zum Niederknien zu enden, zieht sich das verträumt sehnsüchtige Motiv der einleitenden Gitarren in “Song Of The Gods“ fast durch den gesamten Track, um sich stetig wiederkehrend in unterschiedlichen Passagen zu zeigen.

In keinster Weise ruhen sich CHAPEL OF DISEASE auf ihren früheren Taten aus und gehen mit gewohnter Kost auf Nummer sicher, sind es viele neue Ideen, die auf “…AND AS WE HAVE SEEN THE STORM, WE HAVE EMBRACED THE EYE“ umgesetzt und ausgetestet werden, wie beispielsweise der ruhige, dumpfe Klargesang in  “1.000 Different Paths“, der den ohnehin in sich gekehrten und nachdenklichen Song mit seinem moderatem Tempo und unzähligen verschlungenen Leads noch eine ganze Ecke dunkler und geheimnisvoller wirken lässt. Einen heftigen Kontrast hierzu bildet im direkten Anschluss jedoch “The Sound Of Shallow Grey“ mit seinen poppig, lockeren Riffs, die zwar etappenweise einen komplett neuen Weg einschlagen und nach einem eher rockigen Interlude mit synthetischen Effekten kurzerhand in dissonanten Black Metal umschlagen, hiernach allerdings wieder zu ihrer ursprünglichen, ja fast schon fröhlichen Natur zurückfinden.

Es ist schlichtweg unmöglich, an dieser Stelle auf sämtliche der großartigen Momente mit ihren vielen versteckten Akzenten einzugehen, kann wohl keine noch so detailierte Beschreibung der wunderschönen Magie von “…AND AS WE HAVE SEEN THE STORM, WE HAVE EMBRACED THE EYE“ gerecht werden. In vielen Momenten wirkt es, als spielten sich CHAPEL OF DISEASE von gewissen vorherrschenden Konventionen und Erwartungen frei; als wollten sie sich keineswegs mehr nur mit dem in mancherlei Hinsicht verstaubten Genre des Death Metal identifizieren und sich vielmehr einer künstlerischen Weite hingeben, die so viel mehr musikalische Kreativität bereit hält. Dieses schwierige Vorhaben ist CHAPEL OF DISEASE in vollem Umfang geglückt und zu hören ist diese Befreiung, diese Betreten einer neuen und mannigfaltigeren Ebene in jedem Ton.

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