Örth – Nocturno Inferno
Neben den wirklich wegweisenden Gruppierungen, deren frühe Werke heute zu den absoluten Klassikern des norwegischen Black Metals zählen, existierten in der lebhaften Szene von Städten wie Bergen oder Oslo der frühen 90er Jahre zahlreiche weitere Formationen, die zum Teil grandiose Alben veröffentlichten, denen es allerdings zur damaligen Zeit nie gelang, aus den übermächtigen Schatten von Platten wie “PURE HOLOCAUST“, “A BLAZE IN THE NORTHERN SKY“ oder “DE MYSTERIIS DOM SATHANAS“ herauszutreten. Trotz der Tatsache, dass ihrem Schaffen nie die zustehende Anerkennung zu Teil wurde, sind einige Bands wie HADES, TROLL und DØDHEIMSGARD bis heute aktiv und verfolgen konsequent ihren Pfad.
In gewisser Weise trifft dies auf auch ARVAS zu, die erst in den letzten Jahren richtig produktiv wurden und vier Langspieler veröffentlichten, nachdem den Skandinaviern vor rund zwei Dekaden kein richtiger Einstand gelingen wollte. Damals wurde die Kapelle von “V-Rex“ als ÖRTH ins Leben gerufen, der mit “Ares“ und “Grim“ zwei durchaus prominente Musiker um sich versammeln konnte, die ihr Unwesen weiterhin noch bei GORGOROTH, IMMORTAL, BORKNAGAR und AETERNUS trieben. Dennoch sollte es zur Veröffentlichung eines Album nicht kommen. Zwar nahm das Trio unter der Leitung von Eirik “Pytten“ Hundvin in den legendären Grieghallen Studios mit “NOCTURNO INFERNO“ ein Debüt auf, das auf Grund von Problemen bei der Auslieferung nie offiziell erschien und lediglich an ausgewählt Personen verteilt wurde. Nach dem viel zu frühen Tod von “Grim“ wurde ÖRTH schließlich aufgelöst und die ungehörten Aufnahmen gerieten in Vergessenheit, bis heute.
Mehr als zwei Jahrzehnte später wird “NOCTURNO INFERNO“ nun endlich doch noch auf den Markt gebracht und punktet dabei mit einem ungeheuren Nostalgiefaktor, der sämtliche Liebhaber der zweiten Welle des Black Metals unvermittelt in seinen Bann ziehen sollte. Dies liegt in erster Linie an der trockenen und rohen Produktion der Tracks, die so unvergleichlich nach den Grieghallen Studios klingt, dass es eine wahre Freude ist. Es ist nicht allzu erstaunlich, dass klangtechnisch starke Parallelen zu “UNDER THE SIGN OF HELL“ vorhanden sind, tobte sich hier ebenfalls “Grim“ hinter den Drums aus, der mit seinem markanten Schlagzeugspiel auf “NOCTURNO INFERNO“ gleichermaßen Akzente setzen konnte. Stilistisch schlagen ÖRTH in eine ähnliche Kerbe wie einst “Infernus“ und seine Schergen, wenngleich sich inmitten des klirrenden Gepolters ein paar melodische Facetten mehr finden und es nicht ganz so ungezügelt brachial zugeht. Vielmehr leben die zehn Songs von einer erhöhten Dynamik, die sich aus stetigen Tempovariationen ergibt. Von hasserfüllter Raserei, bis zum atmosphärischen Midtempo mit hymnischen Leads, die problemlos auf “THE DAWN OF THE DYING SUN“ hätten gepackt werden können, sind es oft nur wenige Sekunden.
Für die heutige Zeit ist “NOCTURNO INFERNO“ sicherlich noch immer ein intensives und packendes Werk mit bedrohlicher Atmosphäre, das wohl nur keine Begeisterungsstürme mehr lostreten wird, bietet der Rundling doch letztendlich Nichts, was mittlerweile nicht schon mehrfach anderswo gehört wurde. Interessant wäre es aber dennoch zu wissen, wie ÖRTH mit diesem Material vor mehr als 20 Jahren aufgenommen worden wären…