Tardigrada – Vom Bruch bis zur Freiheit

Heutzutage einen interessant klingenden und möglichst zum musikalischen Schaffen passenden Namen für seine Kapelle zu finden, ist nicht unbedingt leicht, zumindest wenn es etwas origineller und im besten Fall einmalig sein soll. Dabei kommt manche Band auf ziemlich ungewöhnliche Ideen, wie etwa TARDIGRADA aus der Schweiz. Zwar mag dieser Name mystisch und erhaben klingen, doch ist er letztendlich lediglich die wissenschaftliche Bezeichnung für den Tierstamm der Bärtierchen. Hierbei handelt es sich um eine extrem widerstandsfähiges Lebensform, die nicht nur mehrere Jahrzehnte ohne Wasser überdauern kann, sondern ebenfalls in einem Vakuum überlebt. Ein wirklicher Bezug dieser erstaunlichen Fakten zum atmosphärischen Black Metal der drei Eidgenossen kann allerdings nicht ausgemacht werden, denn auf ihrem zweiten Langspieler beschäftigen diese nicht unbedingt mit Mikrobiologie.

Wurde auf dem Artwork des Debütalbums namens „EMOTIONALE ÖDNIS“ noch eine hohe und dicke Mauer errichtet, wird eine solche auf „VOM BRUCH BIS ZUR FREIHEIT“ durch die unbändigen Kräfte des Wassers niedergerissen, sodass auch abseits der fortgeführten Durchnummerierung der instrumentalen Zwischenstücke eine inhaltliche Fortführung des lyrischen Themas vermutet werden darf, das auf Grund von Titeln wie „Verrat“ oder „Trugschluss Vertraue“ im sozialkritischen Bereich angesiedelt sein dürfte. Somit wird ein deutlich anderes Konzept angestrebt, als bei den übrigen Bands, bei denen die drei Protagonisten aktiv sind und zu denen etwa CHOTZÄ oder HÅN zählen und bei denen es sich eher klassisch um Hass und Dunkelheit dreht.

Weitestgehend traditionell gehalten ist hingegen das wahrhaftig epische Songwriting der vier enthaltenen Songs, die zusammen mit einer mehr als 50-minütigen Laufzeiten aufwarten und zudem von nochmals vier stimmungsvollen Instrumentalstücken aufgelockert werden, die zwar recht kurz ausfallen, aber dennoch sehr wirkungsvoll platziert wurden. Trotz der ausufernden Arrangements, ist es TARDIGRADA meisterhaft gelungen, vielschichtige Strukturen zu erschaffen, in denen sich wilde Aggression und melancholische Sehnsucht in absoluter Perfektion vereinen, ohne dass dabei irgendwelche Längen entstehen würden. Wie selbstverständlich, reihen sich hier derbe Blastbeats mit verträumten Akustikgitarren aneinander, während sich im nächsten Moment majestätische Leads in den Vordergrund drängen und von knarzenden Bassläufen flankiert werden. Zugegeben, es mögen im Endeffekt schlichte und vielfach in der Vergangenheit erprobte Elemente sein, derer sich auf „VOM BRUCH BIS ZUR FREIHEIT“ bedient wird, aber dies eigentlich egal, wenn eine Platte so unheimlich intensiv klingt, dass sich der Hörer in ihr verlieren kann.

Irgendwo zwischen der klagenden Leidenschaft von AUSTERE und der schroffen Mystik von TURIA oder FYRNASK haben TARDIGRADA ihren Sound gefunden, der voll durchdachter Details und entfesselter Inbrunst steckt, dass an dieser Stelle nichts weiter übrig bleibt, als die Empfehlung auszusprechen, sich das zweite Werk der drei Schweizer in aller Ruhe anzuhören. Erschienen ist „VOM BRUCH BIS ZUR FREIHEIT“ übrigens bei Eisenwald und wird dort nicht nur als Digipak, sondern ebenfalls auf Vinyl aufgelegt, wobei hier selbstverständlich zwei Scheiben erforderlich sind, die üppigen Tracks zu fassen.

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