Selbst – Interview

15. Oktober 2017
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Vor wenigen Wochen haben SELBST mit ihrem selbstbetitelten Erstlingswerk eine wahre Perle des atmosphärischen Blacks Metals veröffentlicht. Waren die Chilenen bisher in der deutschen Szene noch weitestgehend unbekannt, sollten die beiden Herren mit dieser Platte nun endlich auch außerhalb  Südamerikas auf sich aufmerksam machen können. In einem Interview mit EVILIZED spricht “N“ über die bisherigen und kommenden Tage des Projektes und erläutert, inwiefern seine Gefühlswelt als Inspirationsquelle für seine Kompositionen dient.

I. Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview nimmst! Es lassen sich im Internet leider nicht wirklich viele Informationen über SELBST finden. Kannst Du uns eine kurze Zusammenfassung über die Geschichte des Projektes geben und etwas darüber sagen, mit welcher Intention Du es vor sieben Jahren ins Leben gerufen hast?

Vielen Dank für das Interesse an meiner Musik. Über das Projekt, es wurde zwischen 2009 und 2010 als vollständige Band gestartet, wurde aber in 2010 zu einem Studioprojekt, als ich das erste Demo „Veritas Filia Temporis“ aufgenommen habe. Für das lyrische Konzept , Gitarre und Bass war ich verantwortlich, während „Frozen“ den Gesang übernahm. Er verließ die Band letztes Jahr aus persönlichen Gründen, also fand ich einen neuen Sänger. Vor kurzem haben wir unser erstes und schlicht „SELBST“ betiteltes Full-Length-Album mit N. Onfray am Gesang und „Frozen“ als Gast in einem Song veröffentlicht.

Ich wollte immer Musik über das kreieren, was in meinem Kopf passiert, als eine Art „Katharsis“ und da passt Black Metal perfekt. Ich schreibe über Anti-Dogmatismus, Nihilismus, Individualismus, Depressionen und Trauer, um Unzufriedenheit gegenüber aller göttlichen Hingabe auszudrücken und weil mein Leben sonst so verdammt elend wäre, denke ich.

II. Welche tiefere Bedeutung hat der Name des Projektes, der ja ein deutsches Wort ist. Sprichst Du deutsch oder hast Verbindungen nach Deutschland?

Ich denke, es ist ein bisschen komisch, weil ich kein Deutsch spreche und keinerlei Verbindung zu diesem Land habe. Aber ich habe ein Buch von Nietzsche gelesen und es enthielt eine kurze Beschreibung mit diesem Wort und was es bedeutet, also dachte ich, es wäre perfekt für die Musik, die ich zu dieser Zeit geschrieben habe. Für mich war es etwas wie die „Aufklärung“ des Seins, irgendein Bindeglied zwischen mir und meiner Wahrnehmung. Ich entnahm das von etwas, das ich später über dieses Wort las.

III. SELBST steht für atmosphärischen Black Metal, der auf dem selbstbetitelten Debüt sehr finster ausfällt und in weiten Teilen einen sehr verzweifelten und beklemmenden Unterton mitschwingen lässt. Musst Du selbst in solch einem bedrückten Zustand sein, um zu Komponieren und welche Inspirationsquellen nutzt Du generell beim Schreiben neuer Songs?

Nun, ich habe angefangen für dieses Album zu komponieren, als ich das erste Demo-Tape veröffentlicht habe, aber es hat sich im Laufe der Jahre viel verändert.

Gewiss bin ich vor einigen Jahren zu dieser Zeit in eine Art melancholischen oder düsteren Zustand geraten, sodass es im Endergebnis meine Musik stark beeinflusst. Ich nehme Ideen aus Büchern, Filmen, Musik usw., aber die wichtigste und entscheidende Inspiration kommt eher von meinen Gefühlen und Schicksalsschlägen, als von meinen fast nicht existenten Errungenschaften.

IV. In den Texten der Stücke ist sehr offen von negativen Emotionen wie Hass und Verachtung die Rede, davon dass Du nicht Teil dieser Welt sein willst. Spiegeln diese Aussagen Deine allgemeine Haltung gegenüber der Gesellschaft wider oder sind es nur Momentaufnahmen besonders emotionaler Abschnitte Deines Lebens?

Ich denke, meine Texte sind ein totale Reflexion meines Seins, als ein unkonformistischer Teil dieses bedrückenden Lebens und der heuchlerischen Gesellschaft. Ich bin ein normaler Mensch, habe einen Job, ein paar Freunde, eine Familie, eine Freundin und so weiter. Aber es ist nicht genug, um glücklich zu sein oder sich einfach nur dem Leben anzupassen, also habe ich versucht und versuche noch immer, mich durch die Integrität in meiner Musik auszudrücken.

Es ist das Einzige, was wirklich mir gehört.

V. In welchem Zusammenhang steht das sehr dunkel gehaltene Artwork des Albums mit den Texten? Es sind einige abstrakt wirkende Gestalten in noch finsterer Umgebung zu sehen, wobei sich Details nicht erkennen lassen.

Der grafische Teil wurde vom venezuelanischen Künstler Fabio Rincones, einem langjährigen engen und wahren Freund von mir, erarbeitet. Ich vertraue stets auf seine Arbeit, also ließ ich ihm freie Hand, mit nichts mehr als einigen Auszügen aus den Texten und einigen allgemeinen Ideen. Ich denke jeder, der sich das Album kauft, sollte die Texte lesen und die Illustrationen visualisieren und dann lassen sich jegliche Verbindungen sehen, die man sehen will.

Ich möchte den möglichen Interpretationen keine Grenzen setzen.

VI. Im direkten Vergleich zu “AN OMNIOUS LANDSCAPE“ fällt auf “SELBST“ auf, dass die einzelnen Stücke einen stärkeren eigenen Charakter haben und sich besser von den übrigen Songs abgrenzen können, wohingegen “AN OMNIOUS LANDSCAPE“ eher eine geschlossene Einheit bildete. Zumindest ist dies mein Eindruck. Kannst Du mir in dieser Hinsicht zustimmen und war dies ein bewusster Schritt beim Songwriting?

Ich denke, dass sich die Lyrik von Anfang an allmählich verändert hat, wie auch ich mich verändert habe. Für mich hat jede Veröffentlichung eine eigene Identität. Ich habe keine Pläne, nehme nur Gitarre, Bleistift und Papier und lasse den Schmerz fließen …

VII. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Sun & Moon Records aus Rumänien, die ja schon “AN OMNIOUS LANDSCAPE“ veröffentlicht haben?

Sie kannten mich von einem Demo, das ich ihnen in 2012 geschickt hatte, wenn ich mich nicht irre. Seitdem sind wir in Kontakt, bis das Label, das meine EP im Jahr 2015 veröffentlichen wollte, sich auflöste und ich wieder nach einem Label suchte. Es war großartig, mit ihnen zu arbeiten. Sie sind sehr engagierte Leute und haben mir viel Freiheit gegeben, also läuft alles sehr gut.

VIII. Bis zum vergangenen Jahr war “A.M.“ auf sämtlichen Veröffentlichungen für die Vocals verantwortlich, wohingegen auf der aktuellen Platte nun Nicholas Onfray von ANIMUS MORTIS dessen Platz eingenommen hat und “A.M.“ nur noch bei einem Song zu hören ist. Wie kam es zu diesem Wechsel und ist Nicholas Onfray nun ein fester Bestandteil von SELBST?

Frozen oder „A.M“ lebt in Spanien und verließ die Band aus persönlichen Gründen. Zur gleichen Zeit bin ich nach Chile gezogen, also war es für mich eine gute Gelegenheit, mit jemandem von Angesicht zu Angesicht zu arbeiten. Ich wollte Nicolas auf meinem Album, weil ich seine Band Animus Mortis verehre und so ging alles ziemlich einfach.

IX. Ist es geplant, SELBST eines Tages mit einem vollständigen Line-Up auch auf die Bühne zu bringen oder soll es ein reines Studioprojekt bleiben?

Nun, da ich im selben Land wie mein Sänger lebe, denke ich ernsthaft darüber nach, damit anzufangen, live zu spielen. Ich möchte wirklich wissen, wie es sich anfühlt, eigene Kompositionen auf einer Bühne darzubieten. Ich arbeite daran, also werden wir so bald wie möglich Neuigkeiten haben.

X. In vielen Ländern von Europa und besonders in Deutschland sind Konzerte und Festivals eine Selbstverständlichkeit, die von einigen Leuten schon gar nicht mehr wirklich geschätzt wird. Du kannst im Sommer im Prinzip an jedem Wochenende ein anderes Open Air besuchen und Bands aus aller Welt sehen und trotzdem wird nicht selten gemeckert, wie wenig Abwechslung doch auf diesen geboten wird. Erzähle uns doch bitte ein wenig, wie die Szene diesbezüglich in Chile oder allgemein Südamerika aussieht. Alleine auf Grund der dünnen Besiedlung dürfte es doch wohl nur sehr wenige Orte geben, an denen Konzerte überhaupt stattfinden, oder?!

Nun, ich bin nicht zu sehr in diese kleine, beschissene Welt verwickelt, aber ich gehe manchmal zu einigen Konzerten. Aber im Vergleich zu Venezuela hat Chile eine bessere Szene, in jeglicher Hinsicht. Zwar bekommen Underground-Bands wie immer nicht viel Aufmerksamkeit, denke ich, aber es gibt viele versteckte Schätze in diesem Land!

XI. Wie sehen Deine Pläne für die nähere Zukunft von SELBST aus? Bist Du bereits wieder im Songwritingprozess?

Ich habe einige tolle Neuigkeiten, aber alles wird erst zur richtigen Zeit verkündet!

XII. Die letzten Worte gehören Dir…

Falls dies jemand liest, ignoriert alles und glaubt keinen Scheiß und folgt SELBST auf Facebook oder wo auch immer…

Vielen Dank!

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