The Vision Bleak – Weird Tales
Viel zu lange ist es her, dass uns THE VISION BLEAK zuletzt mit ihrem düsteren Horror Metal einen gehörigen Schauer über den Rücken jagten, liegt mit „THE UNKNOWN“ der letzte Langspieler tatsächlich schon volle acht Jahre zurück. Nie zuvor haben sich die beiden Herren aus der fränkischen Rhön auch nur annähernd so viel Zeit gelassen, um eine neue Platte fertigzustellen, wie für ihr in diesem Frühjahr erscheinendes siebtes Werk. Allerdings muss anerkannt werden, dass mit „WEIRD TALES“ ein durchaus sehr ambitioniertes Konzept vertont wurde, mit dem die ausgedehnte Wartezeit zweifelsohne entschädigt werden kann, offenbart sich doch ein ganz besonderes Hörerlebnis.
Es ist nicht nur der einschlägige Albumtitel, mit dem auf die gleichnamigen kultigen US-amerikanischen Pulp-Magazine hingewiesen wird, in denen legendäre Autoren wie beispielsweise H.P. Lovecraft, Clark Ashton Smith oder Robert E. Howard in den 20ern und 30ern des vergangenen Jahrhunderts ihre fantastischen Erzählungen veröffentlichten. Vielmehr legen Ulf Theodor Schwadorf und Allen B. Konstanz mit „WEIRD TALES“ eine vertonte Version eines solches Heftchens vor, für die ein einziger 41-minütiger Track komponiert wurde, der sich in zwölf Kapitel unterteilt, von denen sich jedes einer mehr oder weniger bekannten Gruselgeschichte annimmt, wobei deren Verfasser gar nicht unbedingt allesamt in „Weird Tales“ veröffentlichten. So wurden von THE VISION BLEAK ebenfalls Werke von Edgar Allen Poe und Lafcadio Hearn verarbeitet, sodass hier insgesamt betrachtet sehr unterschiedliche Schreibstile vereint werden. Ebenso vielschichtig fallen daher natürlich auch die einzelnen Kapitel des Albums aus, die sich zwar wie in einem Magazin aneinanderreihen und dennoch ganz eigenständige Inhalte bereithalten.
Um jedem einzelnen Kapitel einen individuellen Sound zu verleihen, bedienen sich THE VISION BLEAK einer enormen Vielzahl verschiedener Motive und fahren dabei nahezu ihr gesamte musikalisches Repertoire auf, wobei stets diese ihnen eigene dunkle und morbide Theatralik über der gesamten Platte thront und alle Kapitel unter sich vereint. Dementsprechend wirkt „WEIRD TALES“ in sich stimmig und aus einem Guss, wenngleich sich hier so kontrastreich Stücke wie etwa „Chapter II: In Rue d’Auseil“ mit seinem geradlinig Gothic Rock samt eingängiger Leads, aber auch düster-stimmungsvolle Synthesizern, an „Chapter XI: Canticle“ reiht, in dem die Riffs deutlich harscher ausfallen und neben beschwörendem Klargesang auch heftige Growls ein Gedicht von Clark Ashton Smith über innere Abgründe rezitieren. Ebenfalls enorm markant fällt „Chapter V: The Premature Burial“ aus, darf das brachiale Rhythmusgerüst als stark angeschwärzter Death Metal bezeichnet werden, der trotz einiger symphonischer Akzente aus der Platte heraussticht und besonders einen heftigen Stilbruch nach dem verträumt-romantischen „Chapter IV: Once I Was A Flower“ darstellt, das schon vorab als Single vorgestellt wurde und mit seiner melancholischen Saitenarbeit sowie dem gefühlvollen Gesang vielleicht den einprägsamsten Teil von „WEIRD TALES“ darstellt. Nicht nur hier bauen THE VISION BLEAK mit eingestreuten Streichern oder oft sphärischen Keyboards eine fesselnde Dramaturgie auf, die gleichzeitig eine unheimliche dichte Atmosphäre bedeutet, die stark davon profitiert, dass die einzelnen Kapitel stets nahtlos ineinander übergehen. Selbst für den Wechsel der Seiten des Vinyls wurde mit „Chapter VII: The Graveyard By Nyght In A Thunderstorm“ ein eindringliches Zwischenstück komponiert, dessen orchestraler Bombast schon einem Soundtrack gleichkommt.
Es sind bemerkenswert abwechslungsreiche Klangwelten, die „WEIRD TALES“ in sich vereint und trotz vermeintlicher Gegensätze in ein gemeinsames Konzept verwebt, ohne dass dies jemals erzwungen oder gar holprig wirkt. Dass es nicht damit getan ist, sich die Platte ein oder zwei Mal anzuhören, um sich in den schaurigen Geschichten zurechtzufinden, dürfte sich von selbst erklären. Nein, wer sich wirklich auf diese atmosphärische Reise von THE VISION BLEAK in die facettenreichen Welten des klassischen Horros einlassen will, der lässt sich ausreichend Zeit und erarbeitet sich dieses imposante Werk nach und nach.